Nun ja, nicht ganz. Erst vor wenigen Wochen gab es die Meldung Warren Buffett kaufte Anteile des kanadischen Minenbetreibers Barrick Gold ein. Warum investiert „das Orakel aus Omaha“ erst so spät? Der Goldpreis hatte bereits die 2.000 US-$ Marke gesehen und ein neues Allzeithoch markiert. Und warum kauft er nicht physisch Gold, sondern Aktien der großen Minengesellschaft? Die Aktie konnte ebenfalls schon um rund 50% seit Jahresbeginn zulegen. Warum also gerade jetzt der Einstieg? Erwartet der Gründer und Chef der US-Holding Berkshire Hathaway einen weiteren Anstieg des Goldkurses?

Nicht zwangsläufig. Traditionell sind ihm funktionierende Geschäftsmodelle wichtiger als spekulative Werte. Er möchte gute Gewinne und nach Möglichkeit auch Ausschüttungen sehen, bevor er einsteigt. Deswegen kaufte er Tech-Aktien wie Apple und Amazon erst sehr spät – vielleicht zu spät.

Vielleicht auch gerade deshalb sorgte die Meldung für grosse Aufregung. Warren Buffett und Gold? Bisher hat das jedenfalls nicht ins Beuteschema von ihm gepasst. Bemerkenswert ist aus meiner Sicht der Paradigmenwechsel bei seinem Anlageverhalten. Man erkennt es weniger an dem, was er gekauft hat, sondern vor allem an dem, was er verkauft hat.

Raus aus den Banken, rein ins Gold.

Insgesamt hat seine Holding 20,9 Mio. Aktien von Barrick Gold im Gegenwert von rund 565 Mio. US-Dollar gekauft.

Überschaubar, immerhin sitzt die Börsenlegende aktuell auf einem Bargeldberg in Höhe von 146,6 Milliarden US-Dollar. Allein für die Aktienrückkäufe wurde im zweiten Quartal beinahe 10-mal so viel ausgegeben. Kurzum: Knappe 0,4% – echte Begeisterung für das Edelmetall definiert sich anders, oder?

Es ist auch nicht bestätigt, ob Warren Buffett persönlich die Idee zum Kauf von Barrick Gold hatte. Es könnte ebenso gut einer der Berkshire-Manager gewesen sein.

Somit nicht unbedingt von elementarer Bedeutung, doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Um das komplette Bild zu sehen, muss man auch die Verkäufe beobachten. Hier vollzog sich der eigentliche Wandel. Im zweiten Quartal schmiss Buffett satte 61 % von Berkshires Beteiligung an JPMorgen Chase auf den Markt. Die Aktie von Goldman Sachs kam gar komplett unter die Räder.

Banken raus, Gold rein – so vervollständigt sich das Bild.

Sieht Warren Buffett ein neues Zeitalter harter Währungen anbrechen?

Eine Interpretation dieser Gemengelage ist schwierig. Wie immer gilt: Einfach nur copy & paste, ohne alle Zusammenhänge zu verstehen, kann auch eine Bruchlandung zur Folge haben.

Wenn Warren Buffett Anteile an Fluggesellschaften oder Restaurants verkauft, ist die Sache ziemlich eindeutig: Diese Verkäufe waren Covid-19 geschuldet. Buffett setzt in erster Linie auf „gute“ Geschäftsmodelle. Nicht alles, was vor der Pandemie funktioniert hat, funktioniert auch in der Pandemie. Also raus damit!

Doch warum der Ausverkauf bei den Banken? Gründe gäbe es genug. Die billionenschwere Reaktion der US-Notenbank auf die Pandemie könnte Buffett missfallen haben. Auch der Kreditmarkt könnte – mal wieder – zum Thema werden.

So gesehen könnte der Kauf von Barrick Gold doch tiefsinniger sein, als viele denken. Werden die Notenbanken am Ende Unmengen an Gold kaufen müssen, um ihre Währungen zu stabilisieren? Genau das könnte ein Szenario sein, das die Börsenlegende auf dem Schirm hat.

Mit dieser Vermutung wäre er nicht alleine. Wo die Reise im Extremfall hingehen kann, zeigt das Beispiel MicroStrategy. Der US-Softwarehersteller wandelte vor Kurzem die ungeheure Summe von 250 Mio. US-Dollar in Bitcoin um. Mit Spekulation habe das nach eigenen Angaben nichts zu tun:

Unsere Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt in Bitcoin zu investieren, wurde zum Teil durch das Zusammenwirken von Makrofaktoren getrieben, die die Wirtschafts- und Unternehmenslandschaft beeinflussen.

Ob physisches oder digitales Gold – die Marschrute ist klar! Nach der Geldschwemme könnte ein neues Zeitalter harter Währungen anbrechen.

Kritisch und wachsam bleiben!

Auch wenn das hier skizzierte Szenario radikal klingt, darf man eines nicht außer Acht lassen: Das Berkshire-Portfolios besteht weiterhin überwiegend aus langfristigen Investitionen in Unternehmen. Nicht die Spur von physischem Gold. Ein totaler Tabubruch von Warren Buffett ist noch nicht erfolgt.

Wer will, kann aus dem Quartalsbericht eine leichte Skepsis gegenüber den extremen Rettungsmaßnahmen ableiten. Oder Buffett hatte ohnehin vor, seine Bankenpositionen rauszuwerfen. Wer weiß?!

Die volle Wahrheit werden wir womöglich erst im nächsten Börsenbrief an die Aktionäre von Berkshire Hathaway erfahren. Bis dahin sollten wir weiter auf der Hut sein – insbesondere gegenüber allzu abenteuerlichen Positionen in Gold.

Weitere Gründe

Barrick Gold hat ein KGV von etwa 12 und eine Dividendenrendite aktuell 1,2 Prozent. Spannend ist aber besonders das Geschäftsmodell. Wenn der Goldabsatz steigt, wachsen Umsatz und Kosten. Wenn der Goldpreis steigt, wächst dadurch aber direkt nur der Umsatz, nicht auch die Kosten.

Die absolute Umsatzsteigerung erhöht direkt den Gewinn und wirkt sich dort prozentual sogar noch stärker aus. Das bedeutet zweierlei.

Erstens: Wenn Gold sich weiter verteuert, könnte die Aktie sogar überproportional steigen. Und zweitens: Auch im Seitswärtstrend sollte Barrick Gold satte, stetige Gewinne abwerfen, möglicherweise auch höhere Ausschüttungen als bisher.

Damit würde die Minengesellschaft wiederum genau in Buffetts traditionelles Beuteschema passen. Höhere Inflation erwartet

Anders als beim direkten Kauf von Gold reicht also beim Erwerb der Minenaktie ein etwa gleichbleibendes Preisniveau des feurigen Edelmetalls aus, damit die Rechnung aufgeht.

Damit stellt sich die Frage: Wie groß ist das Risiko eines starken Einbruchs des Goldpreises? Mit kurzfristigen Schwankungen müssen Anleger immer rechnen.

Aber für den langfristigen Trend ist eine Kennziffer relativ wichtig: der Realzins, also der ausgewiesene Prozentsatz minus der Inflationsrate. In den Vereinigten Staaten sind die Inflationserwartungen zuletzt deutlich nach oben gegangen, und das belastet den Realzins.

Letztlich erwarten die Märkte, dass nur eine höhere Inflation bei weiterhin niedrigen Nominalzinsen einen sanften Ausstieg aus der hohen Staatsverschuldung ermöglichen kann. Sie gehen davon aus, dass die US-Notenbank (Fed) beides sicherstellt. Wenn das so funktioniert, hat Buffett mit seinem Kauf alles richtig gemacht.

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