Niedrige Zinsen machen Immobiliendarlehen derzeit besonders attraktiv. Doch aufgepasst! Es gilt auch hierbei einiges zu beachten!

Kurze Frage, quasi als Warmmacher vorweg: Wie viele Jahre vergehen, bis eine Darlehenshypothek bei einem Prozent anfänglicher Tilgung in Gänze zurückgezahlt ist? Was denken Sie? 25 Jahre? 40 Jahre? 50 oder gar 100 Jahre? So wie die Frage formuliert ist, kann die richtige Antwort nur lauten: Es kommt drauf an.

Und in der Tat: Bei nur einer einprozentigen Tilgung kann die Entschuldung fast 70, knapp 41 oder auch nur gut 24 Jahre dauern. Entscheidend ist allein der Zins. Bei einem (historisch) hohen Zins von zum Beispiel 10 Prozent, ist die Tilgung in 24 Jahren so gut wie erledigt. Einige werden sich noch erinnern, Anfang der 80er und auch Anfang der 90er Jahren gab es diese Zinsniveaus auch in D. Ist der Zins dagegen extrem niedrig, so wie in den letzten beiden Jahren, zieht sich der Schuldenabbau sehr lange hin. Bei einem Prozent Zins dauert es fast ein Menschenleben, nämlich 69 ½ Jahre, bis die letzte Rate gezahlt ist.

Grund dafür ist die konstante Rate bei der Annuität: Je niedriger der Zins, desto weniger Geld wird innerhalb der Rate durch jeden bereits getilgten Euro für weitere Tilgung freigesetzt. Deshalb: Keine Zurückhaltung bei der Tilgung, sondern Zinsersparnis zur Erhöhung der Tilgungsrate nutzen!

Hierin liegt auch eine der beiden großen aktuellen Gefahren bei der Eigenheimfinanzierung: Viele unterschätzen die Tilgungsdauer, was im Alter eine Finanzklemme nach sich ziehen kann. Die andere

Gefahr geht meist damit einher. Weil die Zinsen ja so niedrig sind, darf es beim Haus- oder Wohnungskauf ruhig etwas mehr sein. Wie beim Metzer an der Theke.

Verhängnisvolle Werbung

Geschraubt wird dann ein wenig an der Tilgung, weil die Raten bei zwei Prozent Tilgung so easy zu tragen sind. Zwar richtig, aber nach 20 Jahren öffnet der Blick auf die Restschuld die Folgen dieser Sorglosigkeit vielen die Augen: Die Hälfte der Schulden ist nämlich immer noch da. Und wenn dann das Darlehen zu höheren Zinsen verlängert wird/werden muss, ist der Plan vom entspannten Ruhestand erst einmal futsch.

Das Tückische dabei: In den Beispielrechnungen vieler Finanzierungsmakler oder Banken wird mit eben diesen niedrigen Tilgungssätzen von einem oder zwei Prozent gerechnet, ohne dass gleichzeitig auch nur näherungsweise auf die extreme Laufzeitverlängerung eingegangen wird. Die Monatsraten für 150.000 Euro Darlehen sind in den Beispielen so „sexy“; da verkaufen sich die Darlehen fast von allein.

Der aktuelle Klassiker der Beispielrechnungen und Vergleiche im Internet: 150.000 Euro Darlehenssumme, 10-jährige Zinsbindung, 60% Beleihungswertauslauf, 2% Tilgung und Zinsen knapp unter 1,20 Prozent. Volá, die Rate liegt unter 400 Euro im Monat. Das sieht schon richtig „geil“ aus, macht Lust auf mehr – und kann so hinterhältig und gefährlich werden. Das Zinsänderungsrisiko nach 10 Jahren kann die Finanzierung stark verteuern oder aber die Tilgung zieht sich bei unverändertem Zins fast 40 Jahre hin.

Abb.1: So lange dauert die Tilgung eines Darlehens

40 Jahre(!) – man muss heute schon verdammt jung sein, um als Immobilienkäufer sein Objekt vor der Rente mit der so beliebten Tilgung von zwei Prozent entschuldet zu haben. Nicht älter als 27 Jahre eben. Aber wer will und kann sich in diesem Alter schon eine Immobilie leisten?

Für alle Älteren gilt es eine höhere Tilgung zu vereinbaren, soll die Finanzierung seriös werden. Die folgende Tabelle gibt an, wie hoch bei einem Rentenbeginn mit 67 die Tilgung sein sollte: Wer Anfang 40 ist, kann sich auf 2,8 Prozent anfängliche Tilgung einstellen, für 50-Jährige wären es eher 5,0 Prozent.

Abb. 2: So viel müssen Sie tilgen, wenn Sie bis zur Rente entschuldet sein wollen

Fünf Prozent anfängliche Tilgung hören sich nach viel an und lassen entbehrungsreiche Jahre vermuten, bieten aber auch den Babyboomern zumindest noch die Chance auf eine schuldenfreie Wohnung im Alter. Beispiel Scheidungsopfer: 49 Jahre, gut 110.000 Euro aus dem Verkauf des gemeinsamen Hauses auf dem Konto und seitdem Mieterin einer Dreizimmerwohnung mit einer Kaltmiete von 660 Euro. Ort der Handlung sei der Speckgürtel einer der begehrten deutschen Großstädte. Es kündigt sich eine Mieterhöhung an. Natürlich würde die Angestellte lieber wieder in den eigenen vier Wänden wohnen und sich nicht darum sorgen müssen, bei überschaubarer Rente auch noch von weiteren Mietsteigerungen betroffen zu werden. Aber wie soll das gehen, allein? Bei den aktuellen Preisen und einer so hohen Tilgung?

Es kann dennoch funktionieren, wenn das Kapital aus dem Hausverkauf bis auf 25.000 Euro in den Kauf eingebracht wird. Der besagte Fall in Stichworten: Die freie Eigentumswohnung liegt in tatsächlich schöner Umgebung etwas weiter draußen und soll 165.000 Euro kosten. Sie ist sogar größer, inzwischen aber 40 Jahre alt und muss dementsprechend renoviert werden.

Es ist beim Kauf unvermeidbar, dass die Maklergebühr, die Grunderwerbsteuer, der Notar und die Grundbucheintragung etwa 20.000 Euro kosten. Auch die angenommenen 40.000 Euro Renovierungskosten, sollten aus den Reserven beglichen werden (außer man kann man sich eines

günstigen KfW-Programmes bedienen). Damit würde das Eigenkapital, das noch in die Finanzierung eingebracht wird, mit 25.000 Euro ziemlich übersichtlich.

Vier Prozent Tilgung als Orientierungswert

Die Folge: Bei einer Zinsbindung von 18 Jahren ließen sich Zinsen um 2,2 Prozent kaum vermeiden. Dazu kommt die Tilgung von 4,6 Prozent, damit die Wohnung auch zum 67. Geburtstag bezahlt ist. Das Ergebnis wäre bei einem Darlehen in Höhe von 140.000 Euro eine Monatsrate von knapp 800 Euro. Die wäre dann aber nicht mehr sehr viel höher als die Miete nach der angekündigten Mieterhöhung. Sollte funktionieren: Der Preis für finanzielle Sicherheit im Rentenalter geht einher mit etwas mehr Fahrerei und abgeschmolzenen Rücklagen.

Wählt man etwas realitätsnähere Annahmen aus als die Hypothekenverkäufer in ihren Beispielen, bieten heute vier Prozent Tilgung einen vernünftigen Orientierungswert. Sie sorgen für alle Käufer unter 47 Jahren für ein finanziell entspanntes Rentenalter. 20 Jahre dauert es nämlich bei einer anfänglichen Tilgung von vier Prozent und zwei Prozent Zinsen, die heute bei einer Beleihung von über 60 Prozent fällig werden, bis alle Schulden erledigt und zurückgezahlt sind.

Der Charmante an dieser Finanzierung: Sicherheit! Für diese zwei Prozent Zinsen gibt es nämlich bei den Banken eine Zinsbindung von 20 Jahren. Zinsbindung und Tilgungsdauer sind gleich, das Zinsrisiko ist weg. Da können die Zinsen am Markt machen, was sie wollen, die Rate bleibt bis zum Schluss gleich. Man nehmt diese Art deshalb auch Volltilger. Sicherer geht es nicht.

Vier Prozent Tilgung und zwei Prozent Zins sind nach Adam Riese natürlich mehr als die gut drei Prozent für beides zusammen aus der Werbung. Die Monatsrate der Verkäufer von 400 Euro für 150.000 Euro ist noch unrealistischer als die Verbrauchswerte aus der Autowerbung vor der WLTP-Zeit. Unter seriösen Umständen kann man bei 150.000 Euro von ca. 750 Euro Belastung im Monat ausgehen. Bei 250.000 Euro Darlehen kommen da mal eben Monat für Monat 1.250 Euro zusammen.

Sondertilgungen wirken sich nur bedingt aus, eine grosse Entlastung bringen sie aber nicht. Gute Kreditverträge erlauben ohne Mehrkosten eine zusätzliche Tilgung von bis zu fünf Prozent des Darlehens pro Jahr. Das wären bei 150.000 Euro Darlehen bis zu 7.500 Euro im Jahr.

Unterstellt man nach dem ersten und zweiten Drittel der Laufzeit von 20 Jahren je eine Tilgung in dieser Höhe, lässt sich die anfängliche Tilgung gefahrlos auf 3,5 Prozent senken, ohne dass das große Ziel der Schuldenfreiheit nach 20 Jahren verfehlt wird. Die Monatsrate sinkt dann auf gut 640 Euro. Vielmehr sollte aber nicht an der Tilgung gespart werden, weil sich anderenfalls nach 20 Jahren wieder störende Restschulden auftürmen. Da ist angewandte Finanzmathematik pur.

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