Die Corona-Pandemie stürzte die Weltwirtschaft in eine bisher noch nicht dagewesene Krise. Zur selben Zeit erleben wir an den Börsen nach einem kurzen, heftigen Crash eine legendäre Erholung. Auch der volkswirtschaftlich vorbelastete Anleger kann kaum begreifen, was da gerade an den Märkten passiert. In den USA schnellte die Arbeitslosenquote im April mit knapp 15 Prozent auf den höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1948 hoch. Jerome Powell, Chef der amerikanischen Notenbank, warnte dieser Tage vor langfristigen Schäden. Nach Schätzungen der FED könnte das Wachstum in Q2 um bis zu 30 Prozent einbrechen. Die Wall Street lässt sich durch derartige Prognosen inzwischen kaum noch irritieren. Der Nasdaq100 konnte mit 9.658 Punkten zu Beginn der 24. KW sogar ein neues Allzeithoch erreichen – was bedeutet, dass der amerikanische Technologie-Index ausgehend von seinem Crash-Tief Mitte März innerhalb von zweieinhalb Monaten fast 40 Prozent an Wert gewonnen hat. Auch der S&P 500 ist auf dem besten Weg das Vorkrisenniveau wieder zu erreichen. Eben nur noch 10 Prozent sind es, die fehlen. Maximale Erholung ist angesagt. Auch in Deutschland schiebt der Dax auf einmal richtig an: In sieben Handelstagen hat Deutschlands Leitindex einen Sprung um insgesamt 10 Prozent nach oben gemacht. Hoffnung und Euphorie als Kurstreiber? Weiter in Richtung auf 13.795 Punkte – dem Februar-Höchststand vor dem globalen Ausbruch des Covid-19 oder doch auf das Bauchgefühl hören bis das ganze Ausmaß der Krise absehbar ist? Diese warnenden Stimmen vernimmt man nun allerdings schon seit Wochen und der Rally an den Märkten hat es bisher keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: Sie könnten um historisch günstige Einstiegschancen gebracht haben. Man muss sich mittlerweile auch schon fragen, ob die oft prognostizierte, zweite große Verkaufswelle überhaupt noch kommt. Natürlich sprächen viele Gründe dafür, aber eben auch zumindest genauso viele dagegen.

Warum die Erholung am Aktienmarkt weitergehen könnte

Angst vor dem Verpassen

Jeder Tag mit steigenden Kursen erhöht unter Anlegern und Investoren die Angst die Rally zu verpassen. Besonders große Fonds und institutionelle Investoren geraten mangels Alternativen immer mehr unter Druck, haben sie doch Cash-Reserven von mehreren 100 Milliarden Dollar, die investiert werden wollen. Kleine Rücksetzer werden so schnell zur Kaufgelegenheit. Eine ausgeprägte Abwärtsbewegung hat es so schwer, denn viele sind eben noch nicht investiert.  Die Nachrichten insgesamt sind schlecht, doch solange Anleger sich immer wieder gegen den Trend stellen, könn(t)en die Kurse weiter steigen.

An der Börse wird die Zukunft gehandelt

Während im März die Schockstarre alles überlagerte, Ängste nährte und große Unsicherheiten heraufbeschwor, richteten Anleger ihre Blicke bereits wieder nach vorne, nachdem Regierungen und Notenbanken überall auf dem Planeten in den „whatever-it-takes-Modus“ geschaltet hatten. Optimismus und Aufbesserung erstehen mit jedem Tag, an dem es Lockerungen im globalen Lockdown zu verkünden gibt. Bisher hat sich das Ganze nämlich noch nicht zu einer Finanzkrise ausgeweitet. Gelingt es das Covid19-Virus zurückzudrängen, dürfte sich die Wirtschaft vergleichsweise schnell wieder ankurbeln lassen. Vor allem, da bei den geld- und fiskalpolitischen Stimuli beinahe sämtliche Register gezogen wurden. Bei dieser Betrachtungsweise erscheinen so manche Aktien nach den Kursverlusten im März umso günstiger. Besonders die Krisenverlierer haben erhebliches Aufholpotential werden umso begehrlicher, je deutlicher die Zeichen auf eine wirtschaftliche Erholung in der zweiten Jahreshälfte hindeuten. Zuletzt griffen Investoren vermehrt bei eben jenen Titeln zu, was stützend auf den Dax mit seinen vielen konjunktursensiblen Werten wirkt.

Digitalisierung

Wohl die größte Stütze in dieser Krise ist der Glaube an die digitale Revolution. Corona war der Trendbeschleuniger für die Digitalisierung, verhalf so manchem Unternehmen erst zum entscheidenden Durchbruch. Anleger „flüchteten“ in den vergangenen Monaten in Scharen in die großen Tech-Werte. Und die belegten mit ihren jüngsten Zahlen und Prognosen recht beeindruckend, dass sie die in sie gesteckten Erwartungen auch realwirtschaftlich erfüllen können. So kommen sie nicht nur vergleichsweise gut durch die Krise, sie profitieren sogar von der Pandemie. Die Kurse der 5 wertvollsten Unternehmen im S&P 500 – Apple, Amazon, Alphabet, Facebook und Microsoft – sind im Jahresverlauf um zirka 10 Prozent gestiegen. Die restlichen Aktien des Index haben zusammengenommen rund 13 Prozent verloren. Die genannten fünf Tech-Riesen bilden mit ihrer Marktkapitalisierung inzwischen über 22 Prozent des S&P 500 ab. Damit sind sie hauptverantwortlich für die Kursentwicklung des Index und lassen ihn weit besser dastehen, als das bei einer anteilig gleichen Gewichtung aller 500 gelisteten Unternehmen der Fall wäre.

Die Entkopplung der Börse von der Realwirtschaft

Wesentlich für die furiose Erholung an den Weltbörsen ist die zunehmende Entkopplung von Börse und Realwirtschaft. „Aufgrund der hohen geld- und fiskalpolitischen Interventionen sind die Börsen nicht länger eine Reflektion der tatsächlichen fundamentalen Rahmenbedingungen“, kommentierte es der CMC-Markets-Analyst Jochen Stanzl. Es könnte als großes Warnsignal verstanden werden Aktien jetzt zu verkaufen, doch ganz offensichtlich passiert genau das Gegenteil. Grund könnte sein, dass dieser Zustand noch eine ganze Weile lang andauern könnte. Normalerweise folgen die Märkte in erster Linie dem Wirtschaftswachstum, dies könnte jetzt aber Vergangenheit sein. Schon vor dem Ausbruch des Coronavirus bestimmten die ultralockere Geldpolitik und die damit einhergehenden niedrigen Zinsen der Notenbanken, das Geschehen an den Märkten. Die Zentralbanken weltweit fluteten die Märkte mit Liquidität und nahmen Anlegern gleichzeitig die Alternativen. Im Zuge der Krise verstärkte sich der Effekt noch einmal weiter. Wir werden wohl über Jahre hinaus ein ähnliches Zinsniveau wie heute sehen. Dazu gesellten sich weitere billionenschwere Hilfspakete – allein die Bilanzsumme der Fed stieg von 4,2 Billionen Dollar Anfang März auf inzwischen rund sieben Billionen Dollar. Hinzu kommen noch die ebenfalls billionenschweren fiskalpolitischen Rettungspakte. Dieses Geld, das vorrangig bei Großanlegern und Konzernen landet, will investiert werden. Belastet durch diese Ausgaben wird ebenfalls die Schuldentragfähigkeit der Länder, was wiederum – vor allem mit Blick auf den Euro – die Sorgen um eine Geldentwertung erhöht. Das tut übrigens auch die Aussicht auf mittelfristig steigende Inflationsraten – bei weiter niedrigen Zinsen. Und so grübeln Groß- wie Kleinanleger worin sie mit ihrem Vermögen investieren sollen. Es bieten sich „sichere Häfen“ wie Gold oder eben Aktien an. Auch Kryptowährungen wie der BitCoin sind interessant, zumindest als Beimischung für diejenigen, die mit der erhöhten Volatilität leben können.

Nicht unwahrscheinlich, dass sich so auf Dauer eine Blase an den Märkten bildet, die jegliche realwirtschaftliche Untermauerung vermissen lässt. Wie gefährlich das ist, bleibt abzuwarten. Wie schließlich soll eine solche Blase platzen, wenn alternative Anlagemöglichkeiten fehlen. Und so könnte es passieren, dass es sich Anleger zunehmend gemütlich machen in dieser Bubble, was die Kurse immer weiter antreiben würde.

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