Mit welchen Fragen und Anliegen kommen Ihre Kunden derzeit vor allem zu Ihnen?
Backenhaus: Derzeit haben die Fragen hauptsächlich mit den aktuellen weltpolitischen Themen zu tun. Corona hin oder her – grundlegende Veränderungen wie der strukturelle Wandel oder neue digitale Techniken kommen auf uns alle zu und beschäftigen natürlich auch meine Kunden. Im Alltag, im Beruf und überhaupt im gesamten Lebensstil. Der anstehende Umbruch wird wahrgenommen und die zunehmende Digitalisierung aller Arbeits- und Lebensbereiche eröffnet viele neue Möglichkeiten – gerade bei der rasanten Entwicklung von modernen Technologien. Hier erwachsen auch für die Geldanlage neue Chancen, die der eine oder andere detaillierter erörtert haben möchte. Allein die Veränderungen, die das Überwinden der Corona-Krise dauerhaft bedingen wird, lassen sich in der individuellen Geldanlagestrategie gut für das eigene Portfolio nutzen. Viele wollen nachhaltig investieren und suchen nach passenden Lösungen, die auch eine Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitskriterien ermöglicht. Zukunftstechnologien als Megatrend sind gefragt. Viele Fragen ergeben sich aus dem Gespräch, wo über Lösungen wie KI- und Netzwerktechnologien, Digitalisierung im Gesundheitswesen und auch Impact Investing-Lösungen gesprochen wird.
Wie lautet Ihre grundsätzliche Anlagephilosophie bzw. Ihr Anlageansatz?
Backenhaus: In einer ersten Phase unterstütze ich meine Kunden bei der Definition der geeigneten Anlagestrategie. Dabei stimme ich die Risikofähigkeit und die -bereitschaft aufeinander ab, wodurch ich dann das passende Rendite/Risikoprofil ermitteln kann. Das Profil gibt vor, wie die Vermögensaufteilung der Anlagekategorien (Liquidität, Obligationen, Aktien, Fremdwährungen etc.) aussehen kann. Nachdem wir die Anlagestrategie definiert haben, setzen wir gemeinsam den Anlageprozess um. Auch Zinsanlagen oder Immobilienkäufe können in die Analyse einbezogen werden. Dabei achte ich besonders darauf, dass die ausgewählten Lösungen in ihrer Peergroup zu den besten 20% gehören. Der Anleger muss eine Strategie anwenden, die nachweislich überdurchschnittliche Erfolge bringt und die zu seiner Persönlichkeitsstruktur passt. Er muss diszipliniert genug sein, dieser Strategie treu zu bleiben, auch wenn er zwischenzeitlich Misserfolge und Verluste erleidet. Mit anderen Worten: Man darf sich nicht verzetteln, immer wieder einmal etwas Neues ausprobieren oder auf zu vielen Hochzeiten tanzen. Die meisten wirklich bewährten Strategien funktionieren nur langfristig. Auf dem Weg dahin helfe ich meinen Kunden und justiere ggf. nach.
Wie entwickeln sich die Märkte in den kommenden Monaten? Geht der Post-Corona-Rally die Puste aus oder geht es aus Ihrer Sicht weiter aufwärts?
Backenhaus: Mit Covid-19 ist weltweit erhebliches Leid hereingebrochen. Die wirtschaftlichen Folgen sind gravierend. Das Jahr 2021 sollte hier eine Rückkehr zu Wachstum und Prosperität bringen. Die Menschheit hat Schritt für Schritt gelernt, mit der Corona-Pandemie umzugehen. Auch durch die schnelle Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen und perspektivisch mit entsprechenden Medikamenten wird die Seuche zweifellos an Schrecken verlieren. Ein Zuwachs der Weltproduktion von gut 5% wird erwartet. Für viele Länder heißt dies zwar: Die Verluste aus der Rezession im Zuge der grassierenden Corona-Pandemie und aufgrund der Maßnahmen zu deren Eindämmung sind damit noch nicht aufgeholt; bis es soweit ist, müssen wir uns in den meisten Fällen bis zum übernächsten Jahr gedulden. Eine neue geldpolitische Strategie einschließlich einer Neudefinition der Inflationsrate wird uns alle für lange Zeit über negative Realzinsen belasten. Es ist sicher kein Geheimnis, wenn ich sage: Nicht alles wird 2021 gut! Die Welt steht wieder einmal vor umwälzenden Veränderungen. Waren es vor 100 Jahren Industrialisierung und die soziale Frage, sind es heute Digitalisierung und Klimawandel. Lassen wir der kreativen Kraft des Unternehmertums Raum! Lassen wir Neues zu, sichern wir Grundrisiken ab, bleiben wir offen! Und verlassen wir bitte den Weg in eine Vollkaskogesellschaft! Sie wird uns am Ende nicht helfen. Viele Unternehmen und Branchen haben 2021 einen exzellenten Start hingelegt. Neue Energien und Technologien legten zweistellig zu. Ich bin weiterhin optimistisch, auch wenn eine Korrektur bei den Highflyern nicht ausgeschlossen werden kann.
Von welchen Assetklassen raten Sie im aktuellen Umfeld eher ab, und welche Branchen sollte man im Fokus haben?
Backenhaus: 2021 werden sich meiner Meinung vor allem die Werte erholen, die pandemiebedingt besonders gebeutelt wurden. Zyklische Aktien aus einigen Bereichen der Industrie, des Automobilbaus, des Tourismus oder Maschinenbaus waren große Verlierer der Krise – und haben entsprechend Nachholbedarf. Die massiven Gewinneinbrüche klassischer Branchen mit Unternehmen des Grundbedarfs haben in der Covid-19-Rezession viele Papiere preiswert gemacht. Im zweiten Halbjahr werde dieser Aufholprozess schon fortgeschritten sein. Dann können externe Faktoren – wie etwa die Inflationserwartungen – die Notenbanken in der Zinspolitik wieder zum leichten Anziehen der Zügel bringen. Das aber könnte durch die leicht erhöhte Attraktivität von Anleihen auch bei den Aktien für kurzfristige Kursschwankungen sorgen. Das Aktien weit besser als Anleihen laufen könnten, ist ungebrochen die zentrale Annahme. Besondere Langzeitwirkung entfaltet in der Anlageklasse Aktien der Megatrend Nachhaltigkeit. Firmen, die beim Streben nach ökologischem und ethisch verantwortlichem Wirtschaften sowie guter Unternehmensführung besonders aktiv sind, stechen Nachzügler bei der Nachhaltigkeit in der Kursperformance aus.
Wie würden Sie zum jetzigen Zeitpunkt 100.000 Euro anlegen?
Backenhaus: Die Frage ist pauschal nicht ganz einfach zu beantworten, da zunächst die individuelle Situation des Kunden ausschlaggebend ist. Neben Alter, Beruf, Risikoneigung, Erfahrung und Anlagedauer ist auch die gesamte Vermögenssituation zu betrachten. Sind Immobilien vorhanden und wie hoch ist die Restschuld? Familiäre Situation: Kinder, Ausbildung, Gesundheitsrisiken der Eltern (Pflegerisiko). Lässt man diese Dinge einmal außen vor, dann gibt es natürlich viele Möglichkeiten für eine „vernünftige“ Depotgestaltung. Einige meiner Fondsfavoriten für das Kalenderjahr 2021 sind Morgan Stanley INVF Emerging Leaders Equity Fund (USD) Z, Baillie Gifford Worldwide US Equity Growth Fund B EUR Acc, BIT Global Internet Leaders 30 I – I, Swisscanto (LU) Portfolio Fund Sustainable Balanced (EUR) AA, ÖkoWorld ÖkoVision Classic A, Fidelity Asian Pacific Opportunities oder der VanEck Vectors Bitcoin ETN A.